Aus einem Traum wird Wirklichkeit

"Der Groschen war gefallen"

Die Idee kam Siegfried Wendel auf seiner Hochzeitsreise. Zusammen mit Frau Gretel besuchte er Mitte der 60er-Jahre ein Freilichtmuseum in der Nähe von Los Angeles. Dort beeindruckte die Touristen aus Germany vor allem ein Haus, das von außen wie ein Saloon aussah, in dessen Innerem sich aber ein ganzes Arsenal von Player-Pianos und anderen Automaten-Instrumenten befand. Für Siegfried Wendel war sofort klar: "So etwas müsste es auch in Deutschland geben. Der Groschen war gefallen." Fünf Jahre später war aus der ersten vagen Vorstellung Wirklichkeit geworden.

 

Start in Hochheim

Am 17. Oktober 1969 öffnete das "Erste Deutsche Museum für mechanische Musikinstrumente" seine Pforten. Im Heimatmuseum der Stadt Hochheim am Main, dem Dalheimer Klosterhof, konnte Siegfried Wendel seine ersten Besucher begrüßen.
Eigentlich hatte Wendel, der zu dieser Zeit noch als Sozialarbeiter in Mainz-Gustavsburg arbeitete, schon damals Rüdesheim wegen des großen Touristenandrangs als den idealen Standort für seine Pläne vorgesehen. Doch die Rüdesheimer Stadtväter versagten ihm die Unterstützung.

In Hochheim wurde der Raum im Heimatmuseum bald zu klein. 1971 zog Siegfried Wendel mit seinen Musikautomaten in das ehemalige "Fischle"-Weingut um, das er eigens zu diesem Zweck erworben hatte. Das Museum war nun größer und schöner, es bot nun fast doppelt so vielen Instrumenten Platz. Wendels größtes Problem blieb jedoch ungelöst: "Die Besucherströme blieben aus."

Umzug nach Rüdesheim

Siegfried Wendel ergriff sofort die Gelegenheit, als er hörte, dass in Rüdesheim das Gebäude der ehemaligen Winzergenossenschaft vermietet werden sollte. Das war 1973. Um die Attraktivität seiner Sammlung besser herauszustellen, taufte er sie um in "Siegfrieds mechanischen Musiksalon". Dennoch: "In der ersten Zeit liefen die Touristen in großen Scharen vom Omnibusparkplatz, vorbei am Musiksalon, in die Drosselgasse."
Dies änderte sich erst, als es Wendel gelang, während des Rüdesheimer Weinfestes Kontakt zu englischen Reiseleitern herzustellen.

Besuch beim Bundeskanzler

Bundesweit bekannt wurde Siegfried Wendels Sammlung, als ihn der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt zu seinem Gartenfest nach Bonn einlud. Von acht Uhr abends bis morgens um vier gaben Wendel und seine Mitarbeiter im Palais Schaumburg ein Konzert mit mechanischen Musikinstrumenten. Der "Bericht aus Bonn" zeigte Siegfried Wendel mit schwarzem Umhang, wallendem Bart und Hut.
Der Besucherandrang nach dem Gartenfest beim Bundeskanzler brachte aber wieder neue Probleme: Nun erwiesen sich die Räume in der ehemaligen Winzergenossenschaft als zu klein und zu eng. So überlegte Siegfried Wendel, ob er das Angebot der Stadt Rothenburg ob der Tauber annehmen sollte, sein Museum dorthin zu verlegen.

Der Brömserhof

Doch nun reagierten die Verantwortlichen Rüdesheims. Sie boten Siegfried Wendel den Brömserhof in der Oberstraße an, einen alten Rittersitz, knapp fünfzig Meter entfernt von dem Touristenmagneten Drosselgasse. Teile des Gebäudes stammen noch aus dem Jahr 1310. "Vor diesem Haus hatte ich schon einmal gestanden, als ich zum ersten Mal nach Rüdesheim wollte, und bei mir gedacht, das wäre ideal." Wendel überlegte nicht lange und blieb in Rüdesheim. Zum dritten und letzten Mal zog er mit seinem Museum um.
Seither sind Sammlung und Besucherzahlen stetig gewachsen. Derzeit präsentiert das Musikkabinett seinen etwa 130.000 Besuchern pro Jahr seine 350 Instrumente - von der aparten Spieluhr aus dem 18. Jahrhundert bis zur wuchtigen Jahrmarktsorgel.


Seit 1998 ist Familie Wendel nicht mehr Pächter, sondern Eigentümer des Brömserhofes. Der Bestand des Museums an seinem jetzigen Standort ist also auf absehbare Zeit gesichert. Vor allem auch deshalb, weil nicht nur Frau Gretel die Begeisterung ihres Mannes für die mechanischen Musikautomaten teilte.

Mittlerweile hat Sohn Jens, in Zweiter Generation, das Erbe und Vermächtnis seines Vaters angetreten und führt, gemeinsam mit Tochter Lena und Sohn Lucas, in Dritter Generation, das Familienunternehmen fort.